Kurze Einführung in die Zeitreihenanalyse
Begriff Zeitreihe:
Eine Zeitreihe ist eine Folge von Werten, die sich auf aufeinanderfolgende
Zeitpunkte oder Zeiträume bezieht. Beispiel: Die Zeitreihe der Arbeitslosen
von Januar 1950 bis heute.
Begriff Zeitreihenanalyse:
Die Zeitreihenanalyse ist die Zerlegung einer Zeitreihe in ihre Komponenten:
-
Trend: Darunter versteht man die jahrzehntelange allgemeine Entwicklungstendenz.
Man nimmt dabei an, daß sich die Grundrichtung dieser Tendenz nur
allmählich ändert, weil die Einflußfaktoren, die hinter
der langfristigen Entwicklung einer wirtschaftlichen Größe
stehen, wie z.B. Bevölkerungsentwicklung, technischer Fortschritt
oder Entwicklung des Volkseinkommens, sich auch nur allmählich zu
ändern vermögen. Der Trend spiegelt also den Hauptverlauf der
Zeitreihe wieder.
-
Konjunkturkomponente: Mehr oder minder regelmäßige Schwankungen
einer Zeitreihe innerhalb von drei bis zwölf Jahren. Für
das Phänomen der Konjunktur wird eine Vielzahl von Ursachen, u.a.
unternehmerische und wirtschaftspolitische Steuerungsfehler, verantwortlich
gemacht. Diese Komponente überlagert den Trend. Die Dauer eines Konjunkturzyklus
beträgt in Deutschland ca. vier bis fünf Jahre.
Wichtig:
In der Praxis ist es leider nicht möglich, den Trend und die zyklischen
Schwankungen der Konjunktur voneinander zu trennen. Trend- und Konjunkturkomponente
werden daher bei Zeitreihen, die sich über Jahrzehnte erstrecken,
zu einer sog. glatten Komponente zusammengefaßt. Da dieser Begriff
(glatte Komponente) weitgehend unbekannt ist, werden in den Diagrammen
Trend- und Konjunkturkomponente als Trend bezeichnet.
-
Saisonkomponente: Dies sind wiederkehrende Schwankungen innerhalb
eines Jahres. Saisonale Schwankungen sind bedingt durch jahreszeitliche
und institutionelle Einflüsse, wie z.B. unterschiedliche Tag- und
Nachtlängen, Witterungsverhältnisse, Feiertage, Ferien usw.
-
Restkomponente (auch irreguläre Komponente oder Störgröße
genannt): Hier werden die Auswirkungen derjenigen Einflußgrößen
zusammengefaßt, die nicht mit den soeben genannten drei Ursachengruppen
in Zusammenhang gebracht werden können. Beispiele dafür sind
Sondereinflüsse wie Streiks und außerordentliche wirtschaftliche
Verhältnisse. Aber auch dann, wenn saisonale Einflußfaktoren
sehr stark variieren (z.B. sehr unterschiedliches Winterwetter, Verschiebung
der Betriebsferien eines großen Betriebes, unterschiedliche Osterfeiertage
im März oder April) werden diese Ausschläge zur Restkomponente
gezählt. Merkmal der Restkomponente ist demnach ihre Unregelmäßigkeit,
die auch extreme Ausschläge annehmen kann.
Zeitreihenstruktur:
Darunter versteht man die Art und Weise, wie die Komponenten der Zeitreihe
miteinander verknüpft sind.
In den Diagrammen sind sie additiv verknüpft:
Originalwert = Trendwert + Saisonwert + Restwert
In dieser Art der Verknüpfung werden die Komponenten als voneinander
unabhängig betrachtet, was auch der Realität entspricht.
Allgemein bekannt ist der Begriff der Saisonbereinigung. Er wird
insbesondere von der Bundesanstalt für Arbeit verwendet, wenn jeden
Monat die neuen Arbeitslosenzahlen bekanntgegeben werden. Anhand der obigen
Formel kann man leicht sehen, was darunter zu verstehen ist:
Die Ursprungsgleichung lautet:
Originalwert = Trendwert + Saisonwert + Restwert
Subtrahiert man nun von beiden Seiten der Gleichung den Saisonwert,
so erhält man den saisonbereinigten Wert:
Originalwert - Saisonwert = Trendwert + Restwert
oder anders ausgedrückt:
Saisonbereinigter Wert = Trendwert + Restwert
Es handelt sich bei der Saisonbereinigung also nur um die Ausschaltung
des Saisonwerts. D.h. eine saisonbereinigte Zahl besteht somit aus dem
Trendwert und dem Restwert(!). Da der Restwert positive und negative
Werte (auch ganz extrem hohe Werte) haben kann, ist der saisonbereinigte
Wert folglich alles andere als stetig. (Anmerkung: Lesen Sie jetzt den
Text weiter. Unten klicken Sie dann auf das Beispiel, um das soeben Gesagte
bildlich zu sehen).
Ziel der Zeitreihenanalyse:
Ziel der Zeitreihenanalyse ist es, die einzelnen Komponenten für
sich allein aus der Ursprungsreihe herauszufiltern. Dazu dienen sog. Zeitreihenverfahren,
auf die im nächsten Punkt etwas näher eingegangen wird (die Lektüre
ist nicht nur für Mathematiker gedacht).
Zeitreihenverfahren
D.h. da nur der Originalwert bekannt ist, ist - mathematisch gesehen
- eine Gleichung mit drei Unbekannten zu lösen. Für
ein derartiges Problem gibt es keine Formel, so daß die Lösung
nur näherungsweise (iterativ) bestimmt werden kann.
Dazu hat man eine Reihe von Bedingungen aufgestellt, die ein "ideales"
Zeitreihenverfahren zu erfüllen hat. Einige dieser Bedingungen sind
im folgenden dargestellt:
-
Trendverlauf: Dieser soll stetig verlaufen und keine Knicke oder
Sprungstellen aufweisen. Ökonomische Wendepunkte (mathematisch gesehen:
Maxima und Minima) müssen dort sein, wo sie augenscheinlich auch bei
der Originalreihe sind. Deswegen sind in den Grafiken neben dem Trend auch
immer die Originalwerte enthalten.
-
Prospektives Ziel: Die Entwicklung des Trends soll möglichst
sicher zu beurteilen und insbesondere Wendepunkte frühzeitig zu erkennen
sein. D.h. besonders die aktuellen Daten sollen möglichst frühzeitig
einen Wendepunkt erkennen lassen.
-
Saisonkomponente: Bei der Saisonkomponente sollen variable Saisonfiguren
zugelassen sein. Das bedeutet, daß sich der Saisonausschlag eines
bestimmten Monats (z.B. Dezember) von Jahr zu Jahr ändern kann und
daß dadurch auch die saisonalen Höchst- und Tiefstpunkte über
die Jahre hinweg nicht immer in den gleichen Monaten liegen müssen.
Es ist jedoch wesentlich, daß Veränderungen in der Saisonfigur
nur langsam und stetig vor sich gehen sollten. Sonst würde nämlich
der Unterschied zwischen den Änderungen der Saisonkomponente einerseits
und der Restkomponenten andererseits verwischt werden.
-
Bereitstellung von Optionen: Fast alle Zeitreihenverfahren enthalten
Optionen, die es dem Benutzer erlauben, den Trend noch nachträglich
zu glätten. Dabei wird das Ausmaß der Glättung durch einen
Faktor bestimmt, der vom Benutzer innerhalb gewisser Grenzen vorgegeben
wird. Bildlich gesehen hat man dadurch eine Anzahl von "Schrauben", an
denen solange gedreht wird, bis ein mehr oder minder erwartetes Ergebnis
herauskommt. Dadurch wird natürlich die ursprüngliche Logik des
Verfahrens durch subjektive Eingriffe verfälscht.
-
Invarianz bei Strukturänderungen: Viele in der Praxis angewandten
Zeitreihenverfahren werten - insbesondere bei sehr langen Zeitreihen -
nur einen Teil des vorhandenen Datenmaterials aus. Als Grund für diese
Beschränkung wird angegeben, daß die ausgesonderten Daten anderen
statistischen Gesetzen gehorchen würden. Das ist abzulehnen; das Zeitreihenverfahren
muß für beliebig lange und beliebig strukturierte Zeitreihen
anwendbar sein (notfalls auch für eine Reihe von Zufallszahlen). Bekanntes
Beispiel ist die Zeitreihe "Kurzarbeiter in Deutschland". Diese kann nicht
von allen Verfahren in die genannten Komponenten zerlegt werden.
Summenerhaltung: Die Summe des Trends zweier Teil-Zeitreihen
ist gleich dem Trend der Gesamt-Zeitreihe (Summe aus Trend arbeitslose
Männer und Trend arbeitslose Frauen ist gleich Trend Arbeitslose insgesamt).
Orthogonalität: Trendkomponente und zugehörige
Saisonkomponente dürfen nicht miteinander korrelieren.
Idempotenz: Der Trend soll durch wiederholtes Berechnen
keine anderen Werte annehmen. D.h. wird der Trend der "Arbeitslosen insgesamt"
berechnet und wird dieser Trend erneut dem Zeitreihenverfahren unterworfen,
so sollen die neu berechneten Trendwerte mit den zuerst berechneten Werten
übereinstimmen.
Invarianz der Jahressumme: Werden die originalen Monatswerte
zu einem Jahreswert zusammengezählt, so enthält dieser ja keine
saisonalen Schwankungen mehr. Originaler Jahreswert und Summe aus Trend
und Restgröße müssen also übereinstimmen.
Das in den Diagrammen angewandte Zeitreihenverfahren ist
neu und wurde im Rahmen meiner Dissertation an der Uni München entwickelt.
Beispiel
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zu sehen.
HINWEIS:
Für
mehrere Landkreise im oberbayerisch/schwäbischen Raum gibt es eine Anzahl
weiterer Wirtschaftsdaten auf Landkreisebene, z.B. Arbeitsmarkt,
Baugenehmigungen, Produzierendes Gewerbe:
http://www.stratcon.de